Gerade erst gebaut und schon sanierungsreif: Warum Büroimmobilien so schnell in die Jahre kommen

 

Büroimmobilien scheinen immer kürzere Sanierungszyklen zu durchlaufen. Zwischen Erstbezug und Modernisierung vergehen oft nur 20 Jahre. Warum ist das so? Und wie können wir Flächen planen und realisieren, die länger attraktiv und wertbeständig bleiben? Daniel Gerdelmann, Leiter ESG & Sustainability bei apoprojekt, über Ursachen und „Longevity“-Strategien für den Bestand.

 

 

Geplant nur für das Hier und Jetzt

 

Anfang der 2000er-Jahre zum ersten Mal bezogen und bereits sanierungsbedürftig – ein Schicksal, das viele Büroimmobilien teilen. Aber welche Gründe hat das kurze Verfallsdatum? Zum einen liegt es am Zeitgeist. Die Pläne für die heutigen Sanierungsfälle stammen aus den späten 1990er-Jahre. Es war die Ära der Single-Tenants: Ein Unternehmen mietete die gesamte, auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Fläche. Spätere Umnutzungen und ESG wurden damals schlicht nicht mitgedacht. Dieser fehlende Weitblick rächt sich nun, denn der Trend geht in Richtung Multi-Tenant-Gebäude – am liebsten nachhaltig. Vor allem Flex-Office- und Quartierskonzepte treiben die Entwicklung voran. Wer seine Büroimmobilie nicht an die neuen Arbeitswelten anpasst, gerät ins Hintertreffen und riskiert den Verlust von Mieteinnahmen oder sogar Leerstand.

 

Mieter sind wählerischer denn je

 

Der andere Grund für die kurzen Sanierungszyklen sind die gestiegenen Ansprüche der Mieter. Unternehmen suchen heute Büroflächen, die baulich und technisch den neuesten Standards entsprechen. Ein weiteres zentrales Entscheidungskriterium ist die ESG-Konformität. Der Druck, nachhaltig zu handeln, kommt längst nicht mehr nur von der Politik. Auch Mieter legen zunehmend Wert auf die ökologische, soziale und ökonomische Qualität einer Immobilie. Und sie sind bereit – vorausgesetzt das Gesamtpaket stimmt – tiefer in die Tasche zu greifen. Der apoprojekt-Bestandskompass 01/2025 zeigt: Sanierte Objekte erzielen in der Regel deutlich höhere Mieten als unsanierte Gebäude im Umfeld. In der Eberhardstraße in Stuttgart lag der Quadratmeterpreis im Jahr 2024 beispielsweise bei 39,00 Euro. Das entspricht einem Plus von 225 Prozent im Vergleich zur vorherigen Angebotsmiete von 12,00 Euro/qm.

 

Den Wandel antizipieren

 

Eine Sanierung ist folglich für viele Büroimmobilien der 2000er-Generation alternativlos – selbst wenn die bauliche und energetische Substanz noch in Schuss ist. Aber was können wir mit dem Wissen von heute besser machen? Wie verhindern wir, dass die Flächen, die wir jetzt sanieren, in 20 Jahren schon wieder als überholt gelten? Fest steht: Für eine längere Halbwertzeit braucht es mehr als kosmetische Eingriffe oder eine einfache energetische Nachrüstung. Zukunftsfähig ist, wer Flächen so vorausschauend plant, dass sie sich flexibel an spätere Entwicklungen anpassen lassen. Zudem gilt es, hohe Anforderungen – insbesondere in puncto Nachhaltigkeit – zu erfüllen, besser noch: sich auf die Zukunft vorzubereiten.

 

 

Flexibilität durch Standardisierung

 

Standardisierung wird nicht selten mit „Starrheit“ und „Schema F“ gleichgesetzt. Dabei sorgt sie – ganz im Gegenteil – für eine bessere Anpassungsfähigkeit. Ändern sich die Bedürfnisse der Nutzer, erleichtern standardisierte Bauelemente die Durchführung von Grundrissänderungen wie zum Beispiel die Integration von Glastrennwänden in einem vormals offenen, großen Raum. Ein weiterer Vorteil – Stichwort zirkuläres Bauen – ist die Wiederverwendbarkeit: Standardisierte Fenster, Türen, Trennwände etc. lassen sich bei Umbauten einfach demontieren und in ihrer ursprünglichen Form und Funktion an anderer Stelle erneut einsetzen. Das spart wertvolle Ressourcen und reduziert CO2-Emissionen.

 

Raus aus der Komplexitätsfalle

 

Mit durchschnittlich 25 Jahren hat die Technik die geringste Lebenserwartung innerhalb eines Gebäudes. Ihre Modernisierung birgt enormes Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz. Doch lohnt es sich, jeder theoretisch möglichen Einsparung hinterherzujagen? Oder anders formuliert: Wie viel Technik braucht eine Büroimmobilie wirklich? Unsere Erfahrung zeigt, dass komplexe Anlagen mit unterschiedlichen Systemen verschiedener Hersteller in der Praxis häufig hinter den Erwartungen zurückbleiben. Eine im Auftrag der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr durchgeführte Untersuchung bestätigt den Performance Gap: Die Abweichungen zwischen den berechneten Energiebedarfen und den tatsächlich gemessenen Verbräuchen sind bei einfachen Technikkonzepten „auffallend niedriger“ als bei komplexen Anlagen. Zudem sind letztere wartungsintensiver und fehleranfälliger.* Deshalb empfehlen wir einfache, aber robuste Lösungen, die Anwender nicht überfordern und verlässlich funktionieren.

 

*Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr: e% - Energieeffizienter Wohnungsbau. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Modellvorhabens. München 2017

 

„Zukunftsfähige Flächen mit langen Lebenszyklen entstehen dann, wenn wir den Wandel von Anfang mitdenken, auf Standardisierung setzen, überbordende Komplexität vermeiden und Nachhaltigkeit zum Leitprinzip machen.“

 

Daniel Gerdelmann,

Leiter ESG & Sustainability von apoprojekt

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